Skyr, Weihnachtsmänner & Schneesturm
Heute ist der 19. Dezember. Am Vormittag ist der 8. jólasveinn ‚Weihnachtsbursche‘ zu den Siedlungen der Menschen herabgestiegen. Er stammt, wie auch seine 12 Brüder, aus dubiosen Verhältnissen: Mama, Papa, 13 Jólasveinar und Katze leben irgendwo in den Bergen. Die Mutter, Grýla, ist die Weihnachtshexe, gattungstechnisch eine Trollin. Unfolgsame Menschenkinder sammelt sie in einem Sack zusammen, kocht und verspeist sie. Ihre Konfektionsgröße hängt also vom Betragen der lieben Kleinen während des Jahres ab.
Leppalúði, pater familiae, ist das, was man auf österreichisch ein Zniachtl nennt. Immerhin ist er Vater von 13 strammen Knaben. Er dürfte sich dem Müßiggang hingeben, denn auch Gattin und Weihnachtskatze versorgen sich selbst – letztere, jólaköttur, frisst jene Kinder, die zu Weihnachten nichts Neues zum Anziehen bekommen haben.
Heute ist also Skyrjarmur gekommen, oder Skyrgámur. Dieser Weihnachtsbursche dringt in die Speisekammern vor, zerschlägt mit der Faust die Deckel der Skyrtonnen und fischt die Skyrballen aus der Molke, um sie gierig zu verschlingen – so lange, bis sein Gedärm zu pfeifen beginnt (wahrscheinlich laktoseintolerant). Wörtlich übersetzt bedeutet sein Name übrigens ‚Skyrblöker‘ (der vom Skyressen zu blöken beginnt) oder ‚Skyrgefäß‘. Seit ein paar Jahren gibt es auch bei uns Skyr zu kaufen – dieses wegen seines geringen Fettgehalts und hohen Proteinanteils hoch gelobte Milchprodukt (das man in Island mit reichlich Zucker und Schlagobers versetzt, damit es besser schmeckt).
Ich habe das Treiben der isländischen Weihnachtsmänner immer als Amnestie im Advent interpretiert: Auf den Bauernhöfen war das Essen rationiert. Wenn in der lichtlosen Zeit vor Weihnachten etwa eine Wurst fehlte, die Skyrtonne leichter wurde oder die Pfanne ausgeschleckt war, wurde die Schuld nicht auf die hungrigen Menschen geschoben, sondern auf die unheimlichen Besucher. Die 13 Weihnachtsmänner fallen in die Zeit der Wilden Jagd. Nach dem 24. Dezember verschwindet einer nach dem anderen – der letzte in der großen Unruhnacht vom 5. auf den 6. Jänner.
Manche Weihnachtsmänner erklären auch so manches furchteinflößende Geräusch oder Schattenhuschen, etwa bei einem Schneesturm, wenn eine geschlossene Tür zu klappern beginnt oder Dach und Fenster böig erzittern.
Einen Schneesturm – den heftigsten der letzten 70 Jahre – hat es Anfang dieser Woche in Island gegeben. In ganzen Landstrichen fiel für mehrere Tage der Strom aus. Der Schaden ist gewaltig. In Nordisland traf es die Pferde hart, die dank ihres dichten Fells auch im Winter frei umherstreifen können. In diesen Schneemassen waren sie aber großen Gefahren ausgesetzt und einige starben in der eisigen Falle. Eine schönere Geschichte erzählt das Titelbild dieses Eintrags. Den Bauern auf einem Hof nahe Húsavík gelang es, alle Tiere in Sicherheit zu bringen und mit Heu zu stärken. Vielen Dank, Karin Gerhartl, für Deinen Bericht und Dein Foto!
Hier geht es zur Seite des isländischen Nationalmuseums, auf der jeder Weihnachtsmann beschrieben ist und – für (noch) nicht Isländischkundige – abgebildet: https://www.thjodminjasafn.is/jol/jolasveinar/
2 Antworten
Vel skrifað, svo sem ekki við öðru að búast frá þér.
Þakka þér fyrir, Hlynur minn.